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Gemeinsame Stellungnahme der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Rheinland-Pfalz, der Fachstelle für Betroffenenstärkung und Demokratieentwicklung – m*power und des Vereins Netzwerk am Turm. Erarbeitet mit Unterstützung der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung und der Forschungsgruppe Extreme Rechte und Rechtspopulismus in Rheinland-Pfalz.

Idar-Oberstein/Bad Kreuznach/Koblenz, 12. September 2022

Wir werten den Mord an Alexander W. († 18. September 2021 in Idar-Oberstein) als rechtsextremen Terror: Der Täter gab an, damit eine Botschaft gegen die Corona-Schutzmaßnahmen senden zu wollen. Zwar waren ihm die politisch Verantwortlichen nicht greifbar, wohl aber der auf die Einhaltung der Maßnahmen bedachte Tankstellenmitarbeiter. Bereits vor der Pandemie war der Täter rechtsextrem eingestellt, sein Hass konzentrierte sich ab 2020 verstärkt auf Personen, die er für die Corona-Politik verantwortlich wähnte. Sein Denken mündete schließlich im Mord an Alexander W.

Das Schüren von Angst ist typisch für rechtsextremen Terror: Die gezielte und brutale Tat möchte der Täter verstanden wissen als Symbol eines legitimen Widerstandes gegen die angeblich illegitime Regierung und ihre Handlanger:innen. So berichtete die Polizei unmittelbar nach der Tat von mehreren Vorfällen, in denen Täter:innen Angestellte im Einzelhandel oder Bahnreisende mit Verweis auf die Tat in Idar-Oberstein bedrohten. Sie fühlten sich durch die Tat ermutigt, nun selber Gesicht zu zeigen und zu handeln.1 Die Botschaft der Tat zielt auf das Schüren von Angst und Verunsicherung bei allen potenziellen Betroffenen und wirkt damit über die konkrete Tat hinaus.

„Der Mord an Alexander W. hat offengelegt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Tat und rechtem Terror ist. Der Täter wollte die Verantwortlichen für die Corona-Politik treffen, greifbar war ihm aber nur W., der als Tankstellenmitarbeiter die Corona-Verordnungen durchsetzen musste.“

(Rolf Knieper, Geschäftsführer Fachstelle für Demokratieentwicklung und Betroffenenstärkung – m*power)

Die Ermordung Walter Lübckes ruft in Erinnerung, dass auch Repräsentant:innen des Staates Opfer rechtsextremer Gewalt werden können; der Anschlag in Halle zeigt, dass zur Tat entschlossene Rechtsextreme auch beliebige Opfer in Kauf nehmen. Der Mord weist also deutliche Muster von rechtem Terror auf und reiht sich ein in eine dynamische neue Entwicklung.

Der Strafprozess zeichnete das Bild eines Täters, der sich schon vor der Corona-Pandemie in einer rechtsextremen Lebenswelt bewegt hat. Dort äußerte er Hass, Gewalt- und Vernichtungsfantasien gegenüber Migrant:innen, Politiker:innen und vermeintlichen politischen Gegner:innen. Verantwortliche Politiker:innen wollte er „in die Gaskammer schicken“ oder „an Straßenlaternen aufhängen“.2 Die im Prozess vernommene Oberpsychologierätin des LKA sprach von der langjährigen rassistischen Gesinnung des Angeklagten und nannte seine politische Motivation als handlungsleitendes Motiv für die Tat. Als der Täter seine Waffe ergriff, handelte er in seinem Weltbild stellvertretend für viele andere, die auf „Corona-Demos“ den Resonanzraum für seine Tat bildeten.

„Wir konnten schon bei den Corona-Protesten auf den Straßen und in den diversen digitalen Gruppen beobachten, wie seit Beginn der Pandemie einzelne Menschen für die Maßnahmen verantwortlich gemacht und als Feinde markiert wurden. Nicht selten wurde dies mit

Gewaltphantasien verbunden. Die Proteste waren getragen von einer sich verschärfenden Widerstandsrhetorik. Der Mord an Alexander W. zeigt deutlich, dass solche Formen von rhetorischer und digitaler Gewalt auch in reale Gewalt umschlagen können.“
(Nicola Rosendahl, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus)

Rechtsextreme finden heute auch in Online-Welten Zuspruch und technisches Knowhow. In Teilen des Internets bilden Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Misogynie, die Leugnung des menschlich beeinflussten Klimawandels und die Feindschaft zur liberalen Demokratie häufig ein Grundrauschen, das Einzelne motiviert den Entschluss zum gewaltsamen Widerstand zu treffen. Online finden sie mitunter moralische Unterstützer:innen, Sponsor:innen und Zugang zu Waffen. Eine Einbindung in rechtsterroristische Unterstützernetzwerke muss heute nicht mehr zwangsläufig persönlich erfolgen. Dies zeigen beispielsweise die Attentate in München 2016, sowie in Christchurch und Halle 2019.

Der Mord in Idar-Oberstein zeigt erneut, wie rechtsextreme Weltbilder Einzelner und die gesellschaftliche Mobilisierung Vieler auf der Straße und im Netz kaum kontrollierbare Gewalt- Dynamiken auslösen können. In den vergangenen Jahren waren es die gesellschaftlichen Verwerfungen infolge der Pandemie; im Herbst könnte die Energiekrise als einschneidende Lebenserfahrung hinzutreten. Die Gesellschaft muss wachsam sein gegenüber den neuen drohenden Wellen rechtsextremer Wut und Gewalt.

„Der Täter hat aus seiner politischen Haltung kein Geheimnis gemacht und sogar seine Tat im privaten Umfeld angekündigt. Wichtig ist also, dass das Umfeld genau zuhört, bei menschenfeindlichen Äußerungen widerspricht und sich selbst Hilfe und Beratung einholt. Bei Gewaltphantasien und -ankündigungen muss das Umfeld die Polizei verständigen.“ (Siggi Pick, Netzwerk am Turm e.V.)

Der Mord an Alexander W. muss sowohl von Behörden als auch von Politik und Öffentlichkeit als rechtsextreme Tat gewertet und in politische Entwicklungen eingeordnet werden. Nötig ist eine verstärkte Sensibilisierung für den Wandel der extremen Rechten, auch in den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden, um das Verständnis zu vertiefen für die rechtsextreme Gefährdung des Zusammenlebens. In der Aus- und Weiterbildung bei Polizei und Justiz muss das Thema auf der Höhe der wissenschaftlichen Debatte verankert werden. Dafür ist auch die Finanzierung von entsprechender Grundlagenforschung und zu rechtsextremer Gewalt in Rheinland-Pfalz notwendig. Wir schließen uns außerdem der Forderung zivilgesellschaftlicher Initiativen an, eine unabhängige Kommission einzusetzen, zur Aufarbeitung und Überprüfung möglicher rechtsextremer Morde in Rheinland-Pfalz. Ihr müssen auch Vertreter:innen der engagierten Zivilgesellschaft angehören.

Ansprechpartner:innen:
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus

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Netzwerk am Turm e.V.

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Fachstelle für Betroffenenstärkung und Demokratieentwicklung – m*power

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1 Siehe vertiefend https://www.belltower.news/jahresrueckblick-2021-rheinland-pfalz-nazis-im-ahrtal-126289/https://mpower-rlp.de/images/Infopapier-Hetzte-Gewalt-in-Pandemie.pdf.
2 Die Beweisaufnahme des Strafprozesses legte umfangreich die Kommunikation des Täters mit seinem Bekanntenkreis offen, siehe vertiefend https://www.nsu-watch.info/2022/08/prozess-zum-mord-an-alex-w-in-idar-oberstein- fortlaufend-ergaenzt/.

Unter dem Motto #offengeht findet vom 25.09. - 03.10.2022 die Interkulturelle Woche mit zahlreichen Veranstaltungen zum Thema Flucht, Integration und interkulturelles Zusammenleben statt.

Buntes Trier beteiligt sich mit dem Vortrag

Antimuslimischer Rassismus

27.09.2022, 18:30 Uhr

VHS Trier, Raum 5

Alle weiteren Veranstaltungen der Interkulturellen Woche können unter folgenden Link eingesehen werden:

https://www.integration-trier.de/veranstaltungen/interkulturelle-woche/

IKW Auge2022 Quadrat

 

 

12.10. - 14.10. 2022 

Universität Trier

Buntes Trier wird mit einem Infostand und der Plakatserie "Gemeinsam gegen Antisemitismus" vertreten sein.

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Vortrag von Mohamed Kushari

27.09.2022, 18:30 Uhr

VHS Trier, Raum 5

Seit den von Al-Quaida initiierten Terroranschlägen 9/11 etablierte rechte Propaganda Muslim:innen zunehmend als Feindbild, was sich verstärkt in antimuslimischen Gewalttaten niederschlägt: Im Jahr 2020 wurden 1026 islamfeindliche Straftaten vom Bundesinnenministerium erfasst. Zwischen politikwissenschaftlichen Diskurs und persönlichen Erfahrungen spricht Mohamed Kushari, ein Trierer Aktivist und Vorstandsmitglied des Vereins Buntes Trier, über Islam-, Muslim:innenfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus in Deutschland. Der Vortrag ist eine Kooperationsveranstaltung von Buntes Trier und der VHS Trier.
 
Der Vortrag findet im Rahmen der Internationalen Woche statt.
Am Tag des Vortrags sind die aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen zu beachten. Der Vortrag wird im Nachgang als Stream zur Verfügung gestellt. Link folgt.
 
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Am 01.07.2022 sind wir mit unserer Plakatserie "Gemeinsam gegen Antisemitismus" auf dem Kulturfestival OY Vavoy! vertreten:

Das Kulturfestival soll zum einen eine Suchbewegung nach neuen Formen der Prävention und Bekämpfung des Antisemitismus sein. Im Mittelpunkt stehen dabei Strategien, Taktiken und Formen der „Popkultur“. These ist hierbei, dass anhand des Gegenstandes der Popkultur auch der gesellschaftliche Zustand abgelesen werden und gleichsam als kritischer Spiegel fungieren kann. In Bezug auf die Erprobung neuer, innovativer Formen der Antisemitismusprävention bedeutet das, den reichhaltigen Fundus der Popkultur auf dessen Potenzial für solch eine „Arbeit“ hin abzuklopfen. So fungiert das Festival als Möglichkeitsraum, in dem versucht wird aus dem reichen Fundus der (randständigen) Popkultur neue Formen der Antisemitismusprävention zu generieren.

Dieser experimentelle Charakter ist dabei nicht auf die Erprobung und Vermittlung von neuen Praxen der Antisemitismusprävention und -bekämpfung beschränkt. Gerade durch die Kooperation der verschiedenen Kooperationspartner:innen vor Ort soll somit zum anderen auch ein Prozess angestoßen werden, der im besten Falle dazu führt, dass antisemitismuskritische Inhalte in den Arbeitsalltag der kooperierenden Akteure implementiert werden, wodurch der Wirkungsradius einer derart grundierten Kulturarbeit immens erhöht wird. Zudem bietet das gemeinsame Agieren, auf Grundlage eines Denkens „outside the box“, Möglichkeiten für alle Beteiligten hinsichtlich Sichtbarkeit, Reichweite und Vernetzung.

Das Festival ist darauf angelegt sukzessive zu wachsen, wobei auch gerade verschiedene Veranstaltungsformen denkbar sind. Der „Gegenstand“ des Festivals wechselt jährlich. Im ersten Jahr liegt der Fokus auf Punk und Judentum.

Weitere Infos: https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-iii/faecher/geschichte/studium-und-lehre/initiative-interdisziplinaere-antisemitismusforschung/projekte-1/kulturfestival-oy-vavoy

Onlinediskussion mit Corinna Rüffer und Nancy Poser

29.06.2022, 19 Uhr 

online

Wir wollten sie beschützen - ältere Menschen, Menschen mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung.
Ein erheblicher Teil der Coronamaßnahmen der vergangenen Jahre wurde mit der Schutzbedürftigkeit vulnerabler Gruppen begründet. Zweifellos haben die Maßnahmen die Ausbreitung von Corona eingedämmt.
Aber hat dies dazu geführt, dass die vulnerablen Gruppen tatsächlich geschützt wurden? Hieran bestehen erhebliche Zweifel. Beispielhaft genannt sei hier, dass statistisch nachgewiesen erheblich weniger Menschen an Corona auf Intensivstationen gestorben sind, als zu erwarten gewesen wäre. Der Grund dafür war in vielen Fällen, dass Menschen, die in Einrichtungen, insbesondere Pflegeheimen, untergebracht waren, überhaupt nicht auf die Intensivstation gekommen sind. Wir haben Intensivbetten für Menschen freigehalten, die niemals in ein Krankenhaus gebracht wurden. Vielmehr sind sie einsam und im Stich gelassen in den Einrichtungen verstorben. Dieses als graue Triage bezeichnete Verfahren sagt leider sehr viel darüber aus, wie wir mit den vulnerablen Gruppen tatsächlich umgegangen sind und dies leider nicht nur in Zeiten von Corona.
Das Bundesverfassungsgericht hat einen besonderen Schutz von Menschen mit Behinderung bei Triage-Entscheidungen gefordert, da auch unsere obersten Richter*innen die Sorge beschäftigt, dass es zu strukturellen Benachteiligungen von Älteren und behinderten Menschen beim Zugang zu ärztlicher Versorgung kommen könnte.
Wir wollen mit Nancy Poser, eine der Klägerinnen vor dem Verfassungsgericht und u.a. ehemalige Behindertenbeauftragte der Stadt Trier und der Bundestagsabgeordneten Corinna Rüffer darüber diskutieren, was in der Pandemie schlecht gelaufen ist und vor allem, wie wir als Gesellschaft in Zukunft für eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben im allgemeinen und der medizinischen Versorgung im Besonderen gewährleisten können.
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Die Diskussionsrunde ist kostenfrei.
Den Link erhalten Sie nach vorheriger Anmeldung.
Die Veranstaltung wird in Gebärdensprache übersetzt.
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Anmeldungen und weitere Infos unter:
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